Inhaltsstoffe von Heilpflanzen und ihre Wirkungen
Geschrieben von
Morgana Hack
, Medizinjournalistin und Ärztin
2011-08-16
2011-08-16
Zuletzt aktualisiert am 2018-06-1212.06.2018
Inhaltsstoffe Heilpflanzen
Was wirkt da eigentlich?
Heilpflanzen unterscheiden sich von synthetischen Heilmitteln in einem Punkt ganz entscheidend: Sie enthalten keine isolierte, unabhängig wirkende Substanz oder eine speziell entwickelte Zusammenstellung, sondern ein unbeeinflusstes Vielstoffgemisch.
Wird ein Extrakt einer Pflanze zur Heilung verwendet, so lassen sich die meisten Stoffe definieren, die wirksam werden, doch die Wirksamkeit ergibt sich oft erst aus dem Zusammenspiel vieler einzelner Substanzen. Dieses Wechselspiel eines komplexen Systems ist es, das die Heilkraft der Pflanzen ausmacht und das man bei der Anwendung und Dosierung beachten muss. Außerdem ist zu beachten, dass nicht jeder Pflanzenteil immer auch dieselben Inhaltsstoffe liefert. Die Wirkstoffe lassen sich zur Anwendung auch aus den Pflanzen herauslösen.
Für den Einsatz als Arzneipflanze sind es weniger die primären Inhaltsstoffe (Stärke, DNA, Zellulose, Fettsäuren), die interessant sind, sondern vielmehr die sekundären Inhaltsstoffe. Über 60.000 solcher Inhaltsstoffe sind bekannt, die aus verschiedensten Molekülverbindungen bestehen.
Ein Überblick über die bekanntesten Inhaltsstoffe von Heilpflanzen:
Schleimstoffe
Als
Schutzfilm legen sich diese Wirkstoffe über Schleimhäute und Haut und vermindern so den Einfluss von Reizen, wirken deshalb auch schmerzlindernd und unterbinden oder vermindern die Resorption (Aufnahme) anderer Stoffe. Auch die aus dem Schutzfilm resultierenden
entzündungshemmenden und abführenden Eigenschaften können genutzt werden.
Leinsamen,
Flohsamen oder Aloe sind bekannte Beispiele für schleimstoffreiche Heilpflanzen.
Bitterstoffe
Der Name drückt den gemeinsamen Nenner aus, der sie verbindet: Sie schmecken bitter. Die chemische Struktur der Bitterstoffe ist sehr uneinheitlich. Als
verdauungsanregend und
leberunterstützend werden sie gerne eingesetzt, da sie die
Sekretproduktion steigern. Auch die Resorption verbessern sie durch die
Anregung der Durchblutung im Verdauungstrakt. Bei Herzbeschwerden machen sich Bitterstoffe positiv bemerkbar, erweitern die Kapillare, senken die Schlagfrequenz und sorgen für eine Harmonisierung der Herztätigkeit.
Enzian,
Tausendgüldenkraut, Bitterwurz,
Artischocke, Beifuß,
Ingwer und
Hopfen sind nur einige nennenswerte Pflanzen.
Gerbstoffe
Sie können
Eiweiße binden. Auf der Haut eingesetzt, sorgen sie beispielsweise dafür, dass Bakterien dann ohne Nährboden sind.
Mundpflegemittel werden oft mit Gerbstoffen versetzt, wie sie im
Blutwurz oder
Eichenrinde enthalten sind. Die adstringierenden (zusammenziehenden/abdichtenden) und
entzündungshemmenden Eigenschaften unterstützen die Wundheilung und helfen, leichte Blutungen zu stillen. Bei Durchfall helfen Gerbstoffe, den
Flüssigkeitsverlust zu reduzieren. Auch Brombeeren, Heidelbeeren oder Schwarztee enthalten viele Gerbstoffe.
Ätherische Öle
Zu rund 90% setzen sich ätherische Öle aus
Terpenverbindungen zusammen. Diese basieren grundlegend auf Kohlenstoffverbindungen und ihre Moleküle sind in Wasser nur schwer löslich. Auf Grund ihrer Eigenschaft,
Bakterien zu bekämpfen und zu
desinfizieren, werden sie auch in Kosmetikprodukten eingesetzt. Terpene können das
Schmerzempfinden beeinflussen. Ätherische Öle sind leicht flüchtig und leicht entflammbar. Sie haben Einfluss auf das
zentrale Nervensystem und bewirken beispielsweise die Ausschüttung von
Neurotransmittern. So haben sie beruhigende oder euphorisierende Wirkung, können schlaffördernd eingesetzt werden oder anregend. Ätherische Öle wirken auch stark
keimhemmend, antibakteriell und auch
sekretlösend. Gerade auch im Bereich der
Atemwegtherapie sind sie deshalb sehr hilfreich. Andere ätherische Öle wiederum wirken gallenanregend und blähungslösend, durchblutungsfördernd und antirheumatisch oder harntreibend.
Eukalyptus,
Fenchel,
Baldrian,
Hopfen,
Melisse,
Arnika, Anis,
Johanniskraut – die Liste ist schier endlos!
Flavonoide
Diese
wasserlöslichen (und daher leicht vom Körper aufzunehmenden)
Wirkstoffe gehören zu den wichtigsten der Phytotherapie. Sie wirken
stark antioxidativ, das heißt, sie verhindern die Reaktion mit Sauerstoff. So wie Fett nicht so leicht ranzig wird und Obst sich nicht so schnell braun verfärbt beim Einfluss von Antioxidantien, so kann auch der Zerfall unserer Zellen bei der Reaktion mit Sauerstoff durch sie verlangsamt werden. Außerdem haben Flavonoide
entzündungshemmende und gefäßabdichtende Eigenschaften und sorgen für eine
bessere Durchblutung der Herzkranzgefäße. Gemüse und Obst wie Brokkoli, Zwiebeln, Endivien, Preiselbeeren und auch
grüner und
schwarzer Tee enthalten viele Flavonoide.
Alkaloide
Diese stickstoffhaltigen Verbindungen haben starken Einfluss auf den menschlichen Organismus und können leicht giftig wirken, da sie die natürlichen Abläufe im Körper stören. Geringste Mengen von Alkaloiden können beispielsweise die Arbeit einiger Enzyme hemmen oder die Zellteilung behindern sowie auch die Muskelaktivitäten beeinträchtigen. Alkaloide betätigen sich auch als Neurotransmittel, das heißt, sie wirken als Botenstoffe und steuern die Informationen, die von einer Nervenzelle zur anderen weitergegeben werden. Bekannt ist die Wirkung von Alkaloiden etwa vom Eisenhut, der Alraune oder der Tollkirsche. Viele alkaloidhaltige Phytopharmaka unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz oder sind zumindest rezeptpflichtig. Aber: Auch Koffein und Teein sind Alkaloide!
Salicylate (Salicin)
Fiebersenkend, schmerzlindernd, antibakteriell – das sind nur einige der Eigenschaften dieses Wirkstoffs, der Vorbild war für die Entwicklung des bekannten Aspirins (Acetylsalicylsäure). Vor allem in
Weidenrinde, Esche, Pappel und Stiefmütterchen findet sich Salicylsäure. Im Gegensatz zur synthetischen Acetylsalicylsäure hat dieser Wirkstoff aber kaum Einfluss auf die
Gerinnungsfähigkeit des Blutes, so dass er nicht als Hemmer eingesetzt werden kann Andererseits besteht so aber auch keine erhöhte Blutungsgefahr bei der Anwendung.